Donnerstag, 26. März 2009
Der Himbeer-Opa. Ein Lichtblick.
Kinder muss man schreien lassen, lautete damals die Devise. Im fernen Berlin wurden bereits die ersten Kinderläden gegründet, doch im tiefen Schwaben hatte man noch nicht viel zu melden als Kind. Und als schreiender Säugling schon gar nicht. Das Schreien sollte man sich abgewöhnen, und daher wurde einfach nicht darauf reagiert. Bis man dann still war irgendwann. Bestimmt habe ich mir damals diese platte Stelle am Hinterkopf zugefügt. Allein in der Wiege, und keiner reagiert auf mein Geschrei. Rhythmische Schläge mit dem Kopf gegen den Korb der Wiege und gegen das Alleinsein. Nur gut, dass ich mit einer üppigen Haarpracht gesegnet bin, so fällt der platte Hinterkopf eigentlich kaum auf.
Und gut, dass es Einen gab, der sich dennoch kümmerte. Obwohl es in den Augen meiner Eltern verpönt war und er es heimlich tun musste. Der sich nicht scherte um das Verbot. Dessen gesunder Menschenverstand ihm sagte, das Kind hat Hunger und braucht Gesellschaft und die einzige Möglichkeit, dies mitzuteilen, ist sein Geschrei. Heimlich kletterte er vom Garten aus durch das geöffnete Fenster hinein in das Zimmer, in dem ich lag und fütterte mich mit Himbeeren. Mit frischen, selbstgepflückten Himbeeren.
Noch heute fühle ich mich wundersam geborgen beim Anblick dieser tanzenden, kleinen Lichtreflexe, in denen Sonnenlicht sich seinen Weg durch die Blätter eines Baumes bahnt und den Schatten durchdringt. Damals wahrgenommen als Spiegelung in der Fensterscheibe, auf die sich mein erwartungsvoller Blick heftete.
Und Himbeeren, ja, Himbeeren!

... comment