Samstag, 26. September 2009
Hier spricht Hollywood
Wenn Sie sich mit dem roten Eimer und einer großen Flasche Wasser in die obere Etage ins große Bett verziehen, um sich dort Ihrer Migräne zu widmen, mit allem, was da so dazugehört, also dann ist das auf jeden Fall so ein Moment, in dem Sie nicht unbedingt damit rechnen, dass Hollywood anruft und einen Film mit Ihnen machen möchte oder so und mit allem, was dazugehört.
Nein, damit rechnen Sie nicht.
Aber schon damit, dass der Akku Ihnen in die Quere kommt. Der Akku, der schon die ganzen letzten Wochen so vor sich hinkränkelt, der Akku, der sich wahrscheinlich auch besser mal mit rotem Eimer und großer Flasche Wasser ins Bett verkrümeln sollte.
Also, das Telefon hatte ich ja auch nur mit nach oben genommen, um den Anruf des Kollegen entgegenzunehmen. Der Kollege, der mir sagen sollte, ob ich zum morgigen Konzert erscheinen dürfe, auch wenn ich heute bei der Probe gefehlt hatte. Wegen dem roten Eimer und so.
Das Telefon klingelt und es ist nicht der Kollege, der da am anderen Ende spricht. Mit leiser Stimme und französischem Akzent stellt er sich als Was-weiß-ich-wer aus Lothringen vor und fragt, ob ich Violinistin sei. Und ob ich wüsste, wie man die Frau C., meine Kollegin am Cello, erreichen könne. Für Filmaufnahmen sei er auf der Suche nach einer Cellistin und einer Violinistin. Dass er nicht Geigerin sagt, sondern dieses hochgestochene Wort verwendet, sei ihm verziehen, schließlich ist er ja Franzose.
Die Sache hört sich spannend an, trotz meiner Migräne, und das Problem mit dem Akku wird mir plötzlich sehr bewusst. Da ich damit rechne, dass das Gespräch jeden Moment unterbrochen sein würde, will ich ihn nach seiner Nummer fragen, um auf dem Handy zurückrufen zu können, aber da ist er leider auch schon weg. Noch zwei weitere Male klingelt er an, aber da ist der Akku bereits schon so schlapp, dass nur noch mein Anrufbeantworter zu sprechen ist.
Nunja, denke ich mir, vielleicht erreicht er die Frau C. ja auch ohne meine Hilfe und die kann mich dann hinterher wieder mit einbinden, denn bei sowas will man ja dabei sein. Hollywood ruft schließlich nicht täglich an, noch nicht, sondern nur etwa einmal pro Jahr. Und da will man dann ja doch dabei sein. Auch wenn der Akku schlecht ist und man sich eigentlich dem roten Eimer widmen müsste. Hollywood geht vor.
Also ruf ich die Frau C. an. Vom Handy aus. Es ist besetzt. Entweder sie telefoniert bereits mit Hollywood oder anderweitig.
Nach fünf Minuten versuche ich erneut mein Glück und sie ist direkt am Apparat. Ob der Franzose sie erreicht hätte, frage ich. Ja, das hätte er, und sie lacht. Also, sie hätte nein gesagt, die Sache war ihr dann doch zu heiß. Aha? Ich erkläre ihr mein Problem mit dem Akku und dass ich ja gar nicht wüsste, was der Mann nun eigentlich gewollt habe und bitte um weitere Informationen.
Nun, er habe von einem venezianischen Film gesprochen, mit venezianischen Kostümen und venezianischen Masken und direkt zu Anfang schon gesagt, man müsse für das Vorhaben zunächst eine Setcard erstellen. Und da müssten dann Informationen drin stehen über die Person und deren Körperbau. Ob sie offen genug wäre, dort auch Fragen zu beantworten, die man einer Frau normalerweise nicht stellen würde, wollte er wissen, denn das müsste alles in die Setcard mit hinein. Und ob sie prinzipiell überhaupt offen genug sei für die Art Film, die da gemacht werden soll. Also, er würde dann einfach mal mehr erzählen, um was es da geht. Unter höchster Verschwiegenheit natürlich, denn es gäbe ja immer Leute, die an einer guten Story interessiert seien und diese dann selber drehen würden. So ein Storydiebstahl käme ja schnell mal vor. Aber er würde dann trotzdem mal erzählen.
Auf einem venezianischen Fest will der venezianische Held sich am Buffet ein Hühnchen holen. Kommt die Cellistin, schnappt ihm das Hühnchen vor der Nase weg und geht wieder zurück, um Vivaldi mit den Blockflöten zu spielen. Auch der venezianische Held entfernt sich vom Buffet, treibt es mit drei Damen gleichzeitig, um sich letzten Endes auf der Maske der Cellistin seiner Körperflüssigkeit zu entledigen. Wobei der Franzose mit der leisen Stimme sich hierbei einer etwas obszöneren Ausdrucksweise bediente. Auch für die Oberweite der Damen verwendete er einen weitaus vulgäreren Begriff. Nun denn, die Cellistin verlässt den Saal, der Held verfolgt sie und die Geschichte wäre dann wohl noch länger so weiter gegangen, wenn nicht die Frau C. eingegriffen und gesagt hätte, dass sie wohl doch nicht offen genug für diese Art der Filmproduktion sei. Der Franzose versuchte zu beruhigen und zu beschwichtigen, schließlich sei sie doch in das Kerngeschehen gar nicht involviert und mit der Maske könne auch kein Mensch sie je erkennen. Aber nein, sie hätte wirklich kein Interesse an der Produktion. Ob er denn nochmal anrufen dürfe, wenn es um einen Film über Schlösser in Lothringen ginge. Ja, das dürfe er. Und sie wünschten sich gegenseitig noch ein schönes Restwochenende.
Ich muss sagen, ich muss ja doch ziemlich lachen über das Telefonat und der rote Eimer rückt in weite Ferne. Frau C. ist der Meinung, es ging um einen Erotikfilm, ich allerdings bin eher der Ansicht, der Franzose suchte lediglich das Gespräch mit ihr und eine Gelegenheit, seine Hühnchen-Fantasie mit ihr zu teilen.
Schon lustig, seit der Akku allmählich den Geist aufgibt, zieht er scheinbar sonderbare Gespräche an. Gestern erst dieser Tropelmann mit seiner Mülltrennung. Telefonstreich übers Internet. Verschiedene Gesprächsbausteine kann man da per Mausklick einbauen. Telefonstreich für die ganz ganz Faulen. Für die, die noch nicht mal ihren Mund selbst aufmachen wollen. Also, ich muss schon sagen, da waren wir in unserer Jugend doch erfinderischer. Und vor ein paar Tagen erst das erotische Gespräch mit der Freundin. Ach nein, das war ja nur geträumt. Aber heute dieser Franzose aus Hollywood, der war echt.
Echt jetzt.

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