Samstag, 5. Mai 2018
Grundschullieben
Naja, Liebe ist an sich zuviel gesagt. Aber wie das in der Grundschule oder im Kindergarten halt so ist, da ist ja meist irgendjemand, den man später, also irgendwann halt mal, heiraten möchte.
In der Grundschule war das bei mir in erster Linie der L., unser Klassenchamp. Der L. war derjenige, der als einziger Junge oft auf Mädelsgeburtstage mit eingeladen wurde. Wie auch ich oft als einziges Mädchen bei den Jungsgeburtstagen zugegen war. Zu meinem Leidwesen wurde manchmal auch noch die A. mit eingeladen. Oder, ganz schlimm, zuweilen kam es vor, dass nur die A. eingeladen wurde und ich nicht, dann konnte ich sie erst recht nicht leiden.
Das, was die A. bei den Mädchen war, war der W. bei den Jungs, also auch der W. tauchte manchmal zusätzlich zum L. bei den Mädelsgeburtstagen mit auf. Was zur Folge hatte, dass ich mich nie recht entscheiden konnte, wen ich denn später mal nun heiraten sollte, den L. oder den W.
Wobei ich den L. wesentlich besser kannte als den W., da unsere Mütter die Sache sehr forcierten. Nachdem der Schulfotograf da war, sollten wir uns beispielsweise treffen, um dem jeweils anderen ein Foto von sich zu überreichen. Und aus babysittertechnischen Gründen kam es auch schon mal vor, dass ich beim L. übernachtete oder er bei mir. Die Bemühungen unserer Mütter nervten mich allerdings sehr, so dass ich mir dachte, es sei vielleicht doch besser, später lieber den W. zu heiraten. Interessanterweise hatte ich mit dem W. gar nicht viel zu tun, aber eine spätere Hochzeit schien mir durchaus adäquat.
Und dann kam die Geburtstagsfeier vom C. Es war eine Faschingsparty, die A. war nicht eingeladen und alle sollten sich als Cowboy verkleiden, auch ich. Also bediente ich mich an der Kostümkiste meines Bruders und hatte viel Spaß. Ein Highlight dieser Geburtstagsparty war die große Gefriertruhe im Keller des C., die in meiner Erinnerung bis oben hin mit Eis gefüllt war. Und es gab eine Tischtennisplatte im Keller des C., was ich auch sehr toll fand. Den C. besuchte ich in der Folgezeit sehr häufig, wir aßen Eis und spielten Tischtennis, und ich fand alles sehr prima. Vor allem gab es keine nervigen Mütter und es wurden keine Gedanken an spätere Hochzeiten verschwendet, so dass alles viel unverkrampfter war als mit dem L. oder dem W. Der C. schrieb außerdem Büttenreden, das war auch amüsant. Ich habe die Zeit sehr genossen.
Tja, aber dann geht die Grundschulzeit zu Ende, jeder geht auf eine andere Schule und man verliert sich aus den Augen.
In der Oberstufe waren der L., der C. und ich dann zwar wieder auf derselben Schule, aber wir fanden nicht wirklich wieder Kontakt zueinander.

Vom W. habe ich ewig nichts mehr gehört. Kürzlich erreichte mich eine Mail mit der Information, dass er eine Kontaktanfrage an mich geschickt hatte auf einem dieser Berufsportale, aber es gelang mir nicht, mich einzuloggen.

Und wie es der Zufall so wollte, hatte ich gestern zusammen mit meiner Mutter einen sehr wichtigen Termin bei der Frau vom C., da ließ ich es mir nicht nehmen, auch dem C. noch kurz Hallo zu sagen, dessen Büro ganz in der Nähe war.
Ich fand mich wieder inmitten von Aktenbergen in einem dermaßen rauchgeschwängerten Raum, dass ich kaum Luft bekam und überlegte die ganze Zeit, an welche amerikanische Detektiv- oder Kriminalserie mich dieses Setting erinnerte. Spontan dachte ich an Columbo, aber Google spuckt mir keine Aktenstapel aus in dessen Büro.
Der C. erzählte, dass er immer noch Kontakt zum L. und zum W. hat, das fand ich sehr lustig. Wahrscheinlich ist das Leben ein komplett anderes, wenn man niemals die Stadt verlässt, in der man aufgewachsen ist.

Mal schaun, ob ich es doch noch schaffe, mich bei dem Berufsportal einzuloggen, um zu sehen, was aus dem W. so geworden ist. Vielleicht hat er ja eine Tischtennisplatte im Keller. Oder Eis.

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Donnerstag, 26. März 2009
Der Himbeer-Opa. Ein Lichtblick.
Kinder muss man schreien lassen, lautete damals die Devise. Im fernen Berlin wurden bereits die ersten Kinderläden gegründet, doch im tiefen Schwaben hatte man noch nicht viel zu melden als Kind. Und als schreiender Säugling schon gar nicht. Das Schreien sollte man sich abgewöhnen, und daher wurde einfach nicht darauf reagiert. Bis man dann still war irgendwann. Bestimmt habe ich mir damals diese platte Stelle am Hinterkopf zugefügt. Allein in der Wiege, und keiner reagiert auf mein Geschrei. Rhythmische Schläge mit dem Kopf gegen den Korb der Wiege und gegen das Alleinsein. Nur gut, dass ich mit einer üppigen Haarpracht gesegnet bin, so fällt der platte Hinterkopf eigentlich kaum auf.
Und gut, dass es Einen gab, der sich dennoch kümmerte. Obwohl es in den Augen meiner Eltern verpönt war und er es heimlich tun musste. Der sich nicht scherte um das Verbot. Dessen gesunder Menschenverstand ihm sagte, das Kind hat Hunger und braucht Gesellschaft und die einzige Möglichkeit, dies mitzuteilen, ist sein Geschrei. Heimlich kletterte er vom Garten aus durch das geöffnete Fenster hinein in das Zimmer, in dem ich lag und fütterte mich mit Himbeeren. Mit frischen, selbstgepflückten Himbeeren.
Noch heute fühle ich mich wundersam geborgen beim Anblick dieser tanzenden, kleinen Lichtreflexe, in denen Sonnenlicht sich seinen Weg durch die Blätter eines Baumes bahnt und den Schatten durchdringt. Damals wahrgenommen als Spiegelung in der Fensterscheibe, auf die sich mein erwartungsvoller Blick heftete.
Und Himbeeren, ja, Himbeeren!

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