Sonntag, 24. April 2016
Rusalka
Einige Jahre meines Lebens bestand meine Arbeit in erster Linie darin, mir abends elegante, schwarze Sachen anzuziehen, mich damit mitsamt der Geige zu den Kollegen in einen Orchestergraben zu setzen und Opern, Musicals oder auch mal Ballette zu spielen.
Zu einer der ersten Opern, die ich spielte, zählt Dvoraks Rusalka. In Kassel musste ich sie quasi vom Blatt spielen. Also üben konnte ich sie vorher schon, doch die Orchesterproben fehlten mir, da es eine Wiederaufnahme aus der vorangehenden Spielzeit war, als ich noch nicht zum Orchester gehörte.
Die Freundin meines Pultnachbarn, ich weiß nicht mehr genau, welche Position sie an dem Theater innehatte, vielleicht Dramaturgin oder Regieassistentin, erzählte mir bei einem abendlichen Bier oder Wein die Handlung so begeistert, dass ich nicht anders konnte als das Stück direkt zu lieben. Obwohl es diese Handlung auf der Bühne gar nicht wirklich gab. Wegen irgendwelcher Umbaumaßnahmen am Theater, die sich länger hinzogen als erwartet, unter anderem sollte ein Parkhaus gebaut werden und plötzlich stieß man auf unterirdische Reste einer Stadtmauer oder so, aber ganz genau weiß ich das nicht, denn das war ja alles, bevor ich in Kassel ankam, also wegen dieser Umbaumaßnahmen fand die Premiere nicht im Theater, sondern irgendwoanders statt und daher war es lediglich eine konzertante Aufführung. Als ich dann dabei war, wurde das Stück dann zwar im Theater gespielt, man beließ es aber bei der konzertanten Version. Ich fand das damals sehr schade. Ausgerechnet solch eine Märchenoper konzertant! Ohne Bühne, Wasser, Meerjungfrauengedöns und so. Jedesmal, wenn wir das spielten, malte ich mir in den schönsten Farben, blau, türkis und grün und mit ganz viel Algen und einem goldenen Dreizack des Wassermanns und blubberndem Wasserspiel aus, was wir da gerade verpassten, weil es das alles nicht gab. Wunderschön war das. Also, das, was wir verpassten. Das in meinem Kopf.
Heute wieder eine Rusalka Premiere. Diesmal war ich Zuschauerin. Die Musik war wunderschön. Doch ach, welch verpasste Chance. Welch trockene Angelegenheit. Ein bisschen blau, ok. Und Nebel auch. Aber sonst, ey. Wo war das Märchen? Keine Wasserwesen, kein Prinz. Sondern auf der einen Seite Natürlichkeit, Wahrhaftigkeit und auf der anderen Seite aalglatte Berechnung. Halt so psychologisch. Anstrengend. Lieber hätte ich in Märchenwelten geschwelgt.
Mit der Botschaft des Stückes, dass, wenn man sich verbiegt, der Liebe wegen, das nicht gut gehen kann, konnte ich dann aber immerhin doch noch etwas anfangen. Auch wenn ich mir nicht sicher bin, ob diese Botschaft tatsächlich transportiert werden sollte. Aber zumindest bei mir kam sie halt an.
Und die Erkenntnis: Inszenierung ist im Kopf am schönsten! Naja, nicht immer. Doch heute war die Enttäuschung groß.

Frage am Rande, komplett off topic, aber nachdem ich das auf dem Heimweg so beobachtet habe, will es mir nicht aus dem Kopf: Dürfen Einsatzfahrzeuge der Polizei einfach so über den Bürgersteig brettern? Ohne Blaulicht? Und offensichtlich nur aus dem einen Grund, statt einmal rund um einen Kreisverkehr mit mehreren Ampeln plus U-Turn ein paar hundert Meter weiter, eine Abkürzung zum Drive-In Schalter eines Fastfoodrestaurants zu nehmen?

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Samstag, 5. März 2016
WMDEDGT 03/2016
Da Frau Brüllen bekanntlich an jedem Monatsfünften fragt, was man so treibt den ganzen Tag, nehme ich das mal als Anlass für ein Lebenszeichen.

Ein ruhiger Tag, für den nur wenige Erledigungen anstanden.
Nach viel zu wenig Schlaf viel zu früh aufgewacht. Mit Kopfschmerzen. Ein bisschen schlecht war mir auch. Im Bett noch ein wenig auf dem Handy im Internet herumgelesen und Wordfeud gespielt, bis der Hunger mich nach unten trieb.
Kaffee, Müsli.
Dann eine Karte fürs Skispringen nächste Woche Samstag in Titisee-Neustadt geordert. Ob ich dort hinfahre, hatte ich davon abhängig gemacht, wie am Donnerstag die Probe mit dem Gitarristen für unser Konzert in zwei Wochen lief. Also, ob ich das Wochenende zum üben brauchen würde. Die Probe lief gut, also kann ich es mir leisten, nächstes Wochenende zu verreisen. Aller Voraussicht nach wird das auch das einzige Springen sein, bei dem ich dieses Jahr live dabei sein kann.
Nach der Ticketbestellung wollte ich eigentlich üben, fühlte mich aber nicht fit genug dafür. Üben mit Kopfschmerzen ist kontraproduktiv. Stattdessen räumte ich die Küche auf.
Und rief den Kollegen zurück, der mir gestern wegen eines Osterjobs auf Band gesprochen hat, um den Job anzunehmen und noch ein wenig zu plaudern.
Bei einer zweiten Tasse Kaffee plante ich die Osterferien grob durch und schaute außerdem im Kalender, welche Termine für die Sommerschülerkonzerte in Frage kämen und blockierte diese.
Dann Noten und Kalender zurechtgelegt für ein Telefonat mit dem Mönch, mit dem es ein Konzert abzustimmen gilt. Der Mönch war allerdings klischeemäßig gerade auf dem Sprung zum Mittagsgebet und so verschoben wir das Telefonat auf den Nachmittag oder Abend.
Mit meiner Mutter telefoniert. Teilweise kann man mit ihr ganz normal sprechen, aber schon der nächste Satz kann komplett wirr sein. Ich glaube, sie kann nicht mehr trennen, was sie wirklich gesagt, und was sie nur gedacht hat. Und wenn sie dann einen Satz sagt, der aufbaut auf einem Satz, den sie nur gedacht hat, dann macht dieser gesprochene Satz für den Gesprächspartner keinen Sinn. Manchmal vertauscht sie auch nur einzelne Wörter. Oder die Zunge bleibt hängen und sie nimmt ein leichteres Wort. Wieviel davon Demenz ist und wieviel Sprachstörung und wieviel davon ihrer psychischen Verfassung geschuldet, ist nicht möglich aufzudröseln. Dennoch ein fast heiteres Gespräch. Ich ahne allerdings, dass es ihr körperlich viel schlechter geht, als sie mich wissen lassen möchte.
Geduscht und gehaaregewascht dann ab ins Samstagsgedränge der Stadt, um Tageslinsen für die Neuntklässlerin zu kaufen, die morgen mit der Schule zur Skifreizeit fährt. Ich hatte ihr zwar schon vor einer Woche welche bestellt, leider waren die aber nicht mehr rechtzeitig angekommen. Dann Kurierdienst zur Wohnung des Exmannes, da die Kinder mal wieder Papawochenende haben und die Neuntklässlerin daher auch bereits mit all ihrem Skigepäck dort weilte. Bzw half sie gerade der Exschwiegermutter, also ihrer Oma beim Umzug und so drückte ich die Linsen der neuen Flamme des Exmannes in die Hand. (Ey, Autokorrektur, was willst du hier immer mit Eimann und Eischwiegermutter??)
Auf dem Rückweg ein Lebensmitteleinkauf, der sehr vernünftig mit Obst und Gemüse begann, da war ich ein wenig stolz auf den Eindruck, den mein Einkaufswagen machte, und mit Schokoküssen, Cola und Chips endete, bis ich mich schon fast ein wenig für den Inhalt des Wagens schämte und möglichst schnell den Laden wieder verlassen wollte. Was aber ja ohnehin sein musste, da ich halbwegs rechtzeitig zum Beginn des Skispringens daheim sein wollte. Was mir nicht wirklich gelang, aber das Skispringen war wegen zu viel Wind zwischenzeitlich ohnehin bereits abgesagt worden, also war alles gut.
Eine Maschine Wäsche gewaschen.
Die beiden Schneehosen aus dem Keller geholt, um rechtzeitig zu schauen, welche ich anziehen werde nächstes Wochenende und ob ich die dann eventuell vorher noch waschen muss.
Ein paar vernünftige Dinge gegessen.
Und ganz viele unvernünftige.
Den Drang, Bier zu trinken auf später verschoben, da ich nicht unbedingt angeschickert mit dem Mönch telefonieren wollte.
Mit dem Mönch einen ersten Probetermin vereinbart.
Klosterhierarchien ergoogelt.
Und für morgen einen Intensivübetag eingeplant.

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Mittwoch, 10. Februar 2016
Zahnkrümel versus Telefon
Normalerweise würde man nicht ans Telefon gehen, wenn man sich gerade selbst am Zahnfleisch operiert.
Wenn jedoch nach mehr als drei Jahren der Name des Schuhverkäufers im Display angezeigt wird, legt man Skalpell und Tupfer unverzüglich aus der Hand und sich das Handy ans Ohr.
Und muss sich fast zwingen, das Telefonat nicht direkt wieder zu beenden, da die Zunge gar sonderbares ertastet, dort, wo man gerade zugange war und man sich das ganz dringend sofort im Spiegel anschauen möchte.
Telefonat beenden ist natürlich keine Option, also telefoniert man beiderseits die Akkus leer mit einem Gespräch, dem ich, abgelenkt durch die zahnmedizinischen Ereignisse in meinem Mund, leider nicht mit der ihm gebührenden Aufmerksamkeit folgen konnte.
Den anschließend erfolgreich herausoperierten Zahnkrümel werde ich dem Zahnarzt nächste Woche stolz unter die Nase reiben.
Was den Schuhverkäufer betrifft, befinde ich mich momentan allerdings noch in einer Art Schockstarre und nicht in der Lage, weitere Aussagen dazu zu treffen.

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